Gedenkgottesdienst 2020

10.11.2020

Predigt zum Gedenkgottesdienst 2020

 

Wir werden uns wiedersehen.

Wenn wir das Haus verlassen oder nach einem guten Gespräch auf der Straße auseinandergehen, wenn wir uns nach einer Feier verabschieden, dann sagen wir „auf Wiedersehen“.

Das sagen wir mit einer Selbstverständlichkeit, als ob es da gar keine Fragen geben könnte.

Ich habe das auch schon einmal nach vertrauensvollen Begleitungen von Sterbenden beim vermeintlich entscheiden Abschied gesagt: „Auf Wiedersehen.“

Woher nehmen wir das Recht so zu reden?

Was wissen wir denn schon über das, was nach dem Tod sein wird?

Dass der Leib zerfällt, ja, das wissen wir. Aber der Mensch, von dem wir uns verabschieden, war nicht nur der Leib. Er war Leib und Seele.

Mit dem Leib haben wir seine Seele, das was ihn ausgemacht hat, erfahren: was ihn auszeichnet, mit seiner Güte und Liebe, was ihn kennzeichnet mit seinen Schwächen, Versagen und Schuld und mit dem, worin er uns fremd geblieben ist.

Das können wir nicht begraben und wir wollen es auch nicht.

So jedenfalls lese ich mache Todesanzeigen, die auf verschiedene Weise diese prägenden Erfahrungen miteinander ansprechen oder ganz deutlich sagen: „Wir werden dich in guter Erinnerung behalten.“ Manche sprechen sogar vom Wiedersehen, von Auferstehung.

Wie wird die sein?

Wir wissen es nicht; denn das, was viele sagen, das stimmt ja: „Von unseren Toten ist noch keiner zurückgekommen.“

Aber für das, was wir glauben, gibt es gute Gründe. Auf ein Wiedersehen dürfen wir hoffen und daran glauben.

Irgendwie sagen auch jene, die nicht an ein Wiedersehen oder eine Auferstehung glauben, was sie glauben. Sie sprechen nicht von dem was sie wissen.

Es ist doch erstaunlich und ermutigend zugleich, dass viele Völker und Kulturen – ob christlich oder nicht – in irgendeiner Weise vom Leben nach dem Tod sprechen.

Es gibt keine wissenschaftliche Notwendigkeit an nichts zu glauben.

Warum sollten wir dann nicht glauben, was wir uns sehnlich erhoffen, dass das Leben mit dem Sterben nicht an ein Ende kommt, sondern aus diesen Grenzen in ein grenzenlos vollendetes Leben übergeht.

So ein Leben kann allerdings nur ein Geschenk sein; denn Vollkommenheit können unvollkommene Menschen nicht schaffen.

Manches Mal entsteht allerdings der Eindruck, dass wir es dennoch versuchen.

Bei öffentlichen Nachrufen sowieso, aber auch beim Lebensrückblick bei einem Kondolenzbesuch werden in der Regel die guten und liebenswerten Seiten erinnert – selbst wenn man die anderen kennt oder aus dem heraushören kann, was nicht gesagt wird.

Die Trauer ist gnädig. Es braucht seine Zeit, bis wir den ganzen Menschen sehen können, wie er war, mit seinen liebenswerten und seinen schwierigen Seiten.

Wie wird das dann sein, wenn wir uns nach unserem Tod mit den Verstorbenen wiedersehen?

Das Evangelium, das wir eben gehört haben, scheint mir eine ermutigende und befreiende Antwort für dieses Wiedersehen zu geben.

Dort sagt Jesus: „Im Haus meines Vaters sind viele Wohnungen“ und dass er uns dahin den Weg bereitet hat.

Bei Gott gibt es keine Wohnungsnot. Bei ihm finden viele Menschen ein Zuhause.

„Viele“ ist dabei keine Zahlenangabe, sondern ein Hoffnungszeichen für die vielen unterschiedlichen Menschen mit ihren Stärken und Schwächen, mit ihrem gelungenen Leben und ihrem Versagen.

Was gewesen ist, wir nicht ungeschehen gemacht, sondern es ist alles bei ihm in Liebe gut aufgehoben.

Das ist nicht nur für das Leben unserer Verstorbenen eine gute Nachricht, sondern auch für uns heute.

Wenn unser Leben in dieser Liebe Gottes seine Vollendung findet, dann spielt auch das Scheitern für unser Wiedersehen keine belastende Rolle. Vielmehr kommt auch unsere Gabe zu lieben – die wir hier nur begrenzt leben konnten – zur Vollendung.

Wir werden uns nicht nur wiedersehen, sondern wir werden uns neu sehen, mit dem Blick der Liebe.

In diesem Blick dürfen wir auch voreinander die sein, die wir in unserem Leben gewesen sind – liebenswert mit allen Schwächen und Stärken. (Pastor Ulrich Bauer, Gevelsberg)


gedenkgottesdienst herbst 2018

 

Geschichte vom Brücken bauen

 

„Du hast einen schönen Beruf“, sagte das Kind zu dem alten Brückenbauer, „aber es muss schwer sein, Brücken zu bauen.“

„Wenn man es gelernt hat, ist es leicht“, sagte der alte Brückenbauer.

„Es ist leicht, Brücken aus Beton und Stahl zu bauen. Die anderen Brücken sind viel schwieriger“, sagte er, „die baue ich in meinen Träumen.“

 „Welche anderen Brücken?“ fragte das Kind.

 Der alte Brückenbauer sah das Kind nachdenklich an. Er wusste nicht, ob es verstehen würde. Dann sagte er: „Ich möchte eine Brücke bauen von einem zum anderen Menschen, von der Dunkelheit in das Licht, von der Trauer in die Freude. Ich möchte eine Brücke bauen von der Zeit in die Ewigkeit über alle Vergänglichkeit hinweg.“

 Das kleine Kind hatte aufmerksam zugehört. Es hatte nicht alles verstanden, spürte aber, dass der alte Brückenbauer traurig war. Weil das Kind ihn wieder froh machen wollte, sagte es: „Ich schenke dir meine Brücke.“ Und das Kind malte für den Brückenbauer einen Regenbogen.  . . . .

Verfasser unbekannt

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Predigt zum Gedenkgottesdienst Herbst 2018

Als mir vor drei Wochen unsere Koordinatorin, Frau Pesenacker, die Geschichte vom Brückenbauer gab, da habe ich etwas Ähnliches gedacht, wie das Kind in dieser Geschichte: Was für eine schöne Geschichte zu diesem Gottesdienst.

 Was für eine passende Geschichte jetzt für diesen Gottesdienst, in dem wir unserer lieben Verstorbenen gedenken: Kinder die um ihren Vater oder ihre Mutter trauern, Eltern, die ein Kind verabschieden mussten, Eheleute, die sich schmerzlich an ihr Versprechen erinnert fühlen, die Treue zu halten, bis der Tod sie scheidet und Freundschaften, die zu Ende gegangen sind.

Viele stehen heute wieder in Erinnerung an diese Zeit, stehen in diesem Augenblick des Abschieds, an dem man jemanden gehen lassen musste oder manchmal auch gehen lassen durfte, als Moment der Erlösung und Befreiung von quälenden Schmerzen und einer liebevollen aber auch aufopferungsvollen Begleitung.

An diesem Punkt stehen, an dem es gilt, Abschied zu nehmen.

Da bin ich in dem Bild von der Brücke und dem Brückenbauer. Ich sehe einen tiefen Abgrund, den Tod und blicke auf ein Land, das wir nicht kennen, von dem wir aber hoffen und vielleicht auch glauben, dass es ein Land der Lebenden ist.

 Alleine schon der Gedanke, dass wir uns eigentlich mit dem Tod, einem endgültigen Ende nicht abfinden mögen, alleine schon diese Sehnsucht nach irgend einem Leben, das über den Tod hinaus reicht, sind zumindest ebenso berechtigt, wie das Bemühen und die Bereitschaft es anzunehmen, dass Sterben ein Abschied für immer und der Tod endgültig ist.

Sehr viele Worte und Zeichen sprechen für die Hoffnung, sind Ausdruck und suchen nach einer Brücke zu den Menschen, die von uns gegangen sind, manchmal mit der besonders tiefen Bedeutung des Wort: Auf Wiedersehen!

Wenn ich in Zeitungen schaue und die Todesanzeigen lese, mit denen Menschen sich von ihren Lieben verabschieden oder in Gesprächen höre, wie sie versuchen, mit dem Sterben zu leben und über den Tod hinaus Leben zu wünschen, dann sind die meisten Gedanken Worte voller Hoffnung: „Du wirst uns weiter nahe sein“ oder  „in unserem Herzen lebst du weiter“.

Wir reden von den „Entschlafenen“, nicht nur weil das nicht so hart klingt, sondern oft auch mit der Hoffnung, wieder wach zu werden, wie nach einem Schlaf. 

Andere erzählen von den Sternen, in den die Toten uns leuchten und auf uns sehen.

Gerade erst haben viele an Allerheiligen Lichter an den Gräbern angezündet, Lichter des Lebens, die die Verstorbenen für uns waren und Lichter, die ihnen in und uns in ein neues Leben leuchten mögen.

Es wären ja Irrlichter, wenn sie nicht für das Leben sondern für den Tod leuchten würden.

Auf den Gräbern finden wir Symbole des Lebens. Da sehen wir Herzen, Bäume, Ähren und immer wieder auch Kreuze – Kreuze, die für das Leben stehen, dass auch der Tod nicht vernichten kann. 

Was und wer gibt uns eigentlich das Recht, mit der Sehnsucht nach Leben vom Sterben zu reden und dem Tod unsere Hoffnung entgegen zu stellen?

Glaubende und nicht Glaubende nehmen den Regenbogen als Zeichen, dass ganz ferne Orte über den Himmel miteinander verbunden sind.

Unser Orte hier und die Orte unserer Sehnsucht dort verbindet der Regenbogen und überspannt den Abgrund des Todes.

In der Bibel, im Alten oder dem Ersten Testament, setzt Gott den Regenbogen nach der Sintflut in den Himmel. Dabei sagt er, dass dieser Bogen ein Bundeszeichen Gottes ist, dass nie mehr Leben vernichtet werden soll, dass er für das Leben einsteht. 

Der Gott des Lebens, lässt sich, wie wir es eben im Evangelium gehört haben, von keinem mehr das Leben der Menschen aus der Hand nehmen.

Das Leben, das er uns hier in unsere Hand gegeben hat, damit wir daran mitarbeiten und erleben, wie lebenswert es ist. Dieses unvollendete Leben dürfen wir ihm am Ende wieder in die Hand geben, damit es in einem neuen Leben vollendet wird.

Zu diesem neuen Leben will er die Brücke sein. „Es muss ein schöner Beruf sein, Brücke zu bauen.“

Gott hat sich einen schönen Beruf ausgesucht, uns eine Brücke zu bauen, von diesem Leben hier, mit allem Schönen und allen seinen Grenzen zu einem Leben in dem neuen Land, zu einem Leben ohne Grenzen.

Es muss ein schöner Beruf sein, eine schöne Berufung sein, einander an die Hand zu nehmen, um sich die Brücke zu zeigen, die in das neue Leben trägt.

Es muss ein schöner Beruf sein, mit Menschen an diese Brücke zu gehen, nicht nur um Abschied zu nehmen, sondern um eine Brücke finden, die in ein neues Leben führt.

Auch uns hier, will Gott Brücken bauen, um für uns selbst wieder einen Weg ins Leben zu finden und uns an die Hand zu nehmen, den Weg über diese Brücke auch zu wagen.

Menschen, die Trauerwege mitgehen und einander an die Hand nehmen und einander Halt geben, sind diese Hand Gottes, die Leben bewahren will.

Während ich so rede, spüre ich auch den Zweifel und den Widerspruch, dass unser Leben den Weg des Sterbens gehen muss, um neu ins Leben zu finden.

Aber Menschen, denen wir unser Not und unsere Hoffnung anvertrauen können, sind die Hand Gottes, die uns trägt und die unser Leben vor dem endgültigen Sterben schützt.

Sie sind das Bundeszeichen unter uns und über uns.