Helga Grams, Mitbegründerin des Ökumenischen Hospiz Emmaus


Was hat Lambarene (Hauptstadt von Gabun, Zentralafrika, in der Albert Schweizer sein Urwaldkrankenhaus gebaut hat) mit dem Hospiz Emmaus zu tun?  Es hat mit der Idee der Krankenschwester Helga Grams zu tun, die etwas Ungewöhnliches planen und verwirklichen wollte. Nach Lambarene zu gehen, war für sie ein Traum.

Für etwas Neues, Ungewöhnliches im Dienst an den Menschen, muss man nicht nach Lambarene gehen.

Mit dem Aufbau eines ambulanten Hospizes in Gevelsberg  hatten Helga Grams und Pastor Ulrich Bauer eine erfüllende Herausforderung gefunden.

Fast 25 Jahre ist es her, dass die beiden, angeregt durch einen Film über das erste stationäre Hospiz der Krankenschwester Cicely Saunders, mit der Planung für ein Hospiz begonnen haben.

 

Das einzige Kapital für dieses Projekt war Begeisterung.

Nach dem Besuch in einigen stationären Hospizen waren zwei Dinge klar: finanziell und personell fehlten alle Voraussetzungen für ein solches Hospiz. Noch klarer war aber auch der Wunsch der meisten Menschen, in ihrem häuslichen Umfeld Abschied zu nehmen und sterben zu dürfen. Das kann ein ambulanter Hospizdienst leisten.

 

Mit einem Team aus verschiedenen Fachbereichen begannen 1992/93 die Planungen für das Hospiz Emmaus.

Helga Grams hatte sich mit der ihr eigenen menschlich empathischen Stärke in der Erwachsenenbildung , Geburtsvorbereitung, Begleitung trauernder Eltern und dank umfassender palliativmedizinischer Qualifizierung die fachliche Kompetenz für das Projekt erworben.

Als dann die Frage anstand, wer das Hospiz leiten sollte, war für den Ausbilder der ersten Gruppe (und später auch Referent bei weiteren Gruppen), Robert Raß, klar: „Helga, das machst du.“ Damit war die Suche nach einer Leitung abgeschlossen.

 

Dafür begann eine längere enttäuschende Suche nach einem Träger; denn ohne Geld geht auch so etwas nicht.

Die eigene Gemeinde,  das Dekanat, Caritas, Malteser und Johanniter winkten ab: „Ein Fass ohne Boden, mangelnde Qualifikation und überflüssig“, bekamen sie als Antwort zu hören und „außerdem gibt es ja die Pflegedienste.“

 

Ein Besuch von Frau Grams und Pastor Bauer beim damaligen Bischof von Essen, Hubert Luthe, brachte den Durchbruch. Die Kölnerin Helga Gams und der Kölner Hubert Luthe, fanden schnell zueinander. „Ihr werdet von mir hören“, war seine ermutigende Abschiedsantwort.

Wenige Wochen später hatte er eine Bistumseinrichtung verpflichtet, die Anschubfinanzierung der ersten Jahre zu übernehmen. Ab 1996 wurde das Hospiz viele Jahre durch den Orden der Kamillianer, Essen, im Vorstand begleitet und finanziell bedeutend unterstützt.

 

Am 02. November 1994 begann der Dienst des ambulanten Hospiz Emmaus mit der ersten Gruppe der Ehrenamtlichen, den Hauptamtlichen und dem Vorstand – zunächst für ein Jahr in einem Raum des Gemeindezentrums und dann bis 2014 in einer alten Villa an der Hagener Str. in Gevelsberg.

 

Alle Bereiche der Arbeit des Hospizvereins, von den Ehrenamtlichen, über die Hauptamtlichen bis zum Vorstand, waren bewusst von Anfang an ökumenisch, also durch Mitglieder aus den beiden großen Kirchen, besetzt.

Eine christliche Grundhaltung ist bis heute für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eine Voraussetzung. Schließlich sollen die Menschen, zu denen wir gehen, wissen wo wir „zuhause“ sind, um die Freiheit zu haben, ohne Vorbehalte zu allen Menschen zu gehen, die unser Dienste anfragen.

 

Das Hospiz wuchs. Viel Öffentlichkeitsarbeit und ein immer größer werdendes Netzwerk von Beziehungen sorgten für wachsenden Zuspruch, Anerkennung und Förderung des Hospizes.

 

Kontaktfreudigkeit, Kreativität und der Blick für immer neue Herausforderungen und Erwartungen an ein Hospiz waren Stärken von Helga Grams. Sterbende sind ja nicht nur alte Menschen, sondern auch junge Erwachsene, Ehepartner, Eltern und Kinder.

Ihnen allen galt es, auf sehr verschiedene Weise gerecht zu werden.

Dafür galt es, Ehrenamtliche zu gewinnen und zu qualifizieren.

 

Die Not des Sterbens und Abschiednehmens endet ja nicht mit dem Tod. Es bleiben Trauernde zurück.

So wurden neue, angemessene Weisen der Trauerbegleitung entwickelt, mit Trauereinzelgesprächen, Trauerseminaren und dem Trauercafé. Damals entstanden die ersten Gruppen „trauernder Eltern“ und Kindertrauergruppen.

 

Helga Grams entwickelte mit Pastor Bauer Gedenkgottesdienste. Zweimal im Jahr werden die Angehörigen aus den Hospizbegleitungen  zu einem Gedenkgottesdienst eingeladen, um mit den Ehrenamtlichen aus den Begleitungen in der Erinnerung und im Gedenken den Trauerweg besser gehen zu können.

 

Mit ihrer ansprechenden Art, ehren- und hauptamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu gewinnen und zu begleiten, hat sie den Geist und den Stil des Hospizes geprägt und so bis heute Maßstäbe gesetzt.

 

Viele Bilder im Hospiz, die Helga Grams während ihrer Begleitungen gemalt hat, schmücken nicht nur das Hospiz, sondern zeugen auch von einem guten Gespür für das, was den Sterbenden im Leben und beim Abschiednehmen wichtig war.

Das gilt auch für das Bild vom „Himmlischen Jerusalem“, mit dem sie den Weg und das Ziel ihres eigenen Sterbens gezeigt hat.

 

Den Neubau des ambulanten Hospiz Emmaus hat sie ganz intensiv mitgestaltet mit dem sichtbaren Schwerpunkt: „In einem Hospiz muss man leben können, das muss Leben ausstrahlen, nicht um das Sterben schön zu machen, sondern als Hilfe, es leben zu können.“

 

Für kurze Zeit konnte Frau Grams noch in dem neuen Hospiz mitarbeiten und mit dem Kinderhospiz einen weiteren Schwerpunkt im ökumenischen Hospiz Emmaus auf den Weg bringen.

 

Frau Grams starb am 07. April 2016 im stationären Lukas-Hospiz in Herne, mit dem das Hospiz Emmaus lange und gut zusammengearbeitet hat.

Für die sehr liebevolle Begleitung danken wir allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern dort.

 

Die große Beteiligung am Abschiedsgottesdienst, die Ansprachen des ehemaligen Generalvikars Hans-Werner Thönnes, des Gevelsberger Bürgermeisters Claus Jacobi  und die Kartengrüße haben deutlich gezeigt, dass wir uns  von einer besonderen Frau verabschieden mussten, der wir und viele andere auch sehr viel verdanken.

 

Ein Dank gilt aber auch ihrem Ehemann, Klaus Grams, der durch all die Jahre Ihren Dienst mitgetragen hat; denn sonst wäre so ein Engagement nicht möglich gewesen.

 


Nachruf des Hospiz-Vorstandes

Wenn ihr mich sucht,

sucht mich in euren Herzen.

Hab ich dort eine Bleibe gefunden,

bin ich immer bei euch.

Antoine de Saint-Exupéry

Mit ihrer Familie trauern wir haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeitenden und die Mitglieder des Ökumenischen Hospiz Emmaus e.V. um

 

Helga Grams

 

Für unser Hospiz war sie die Koordinatorin der Anfangsstunde und hat in unserer Region Pionierarbeit geleistet.

 

Die Begleitung schwerst erkrankter und sterbender Menschen und ihrer Angehöriger in der vertrauten häuslichen Umgebung zu ermöglichen, war ihre Berufung. Mit Energie, Ausdauer und der ihr eigenen Durchsetzungskraft hat sie dieses Ziel verfolgt, ist gegen Widerstände angegangen und hat es so vielen Menschen im südlichen Ennepe-Ruhr-Kreis ermöglicht, in Ruhe und Frieden ihr Leben eigenständig zu Ende zu leben.

 

Mit ihrer Vision des Hospizgedankens konnte sie schnell andere begeistern, die sich zu ehrenamtlichen Begleiterinnen und Begleitern ausbilden ließen. Ihrem Ideenreichtum und ihrer Fähigkeit zu vernetzen ist es zu verdanken, dass Trauerarbeit, Kinderhospizarbeit und weitere Beratungsangebote hinzukamen und gerne angenommen werden und das Hospiz Gestalt gewann.

 

Ihre Art hat Emmaus geprägt und sie wird immer ein Teil von Emmaus bleiben.

 

Wir wissen Helga nun bei Gott geborgen.

 

Den Weg, den sie eingeschlagen hat, werden wir voll Vertrauen, Zuversicht fröhlich weitergehen.

 

Für das Ökumenische Hospiz Emmaus e.V.

 

Anne Braun-Schmitt

1. Vorsitzende

 

Ulrich Bauer

2. Vorsitzender



Traueransprache von Claus Jacobi (Bürgermeister der Stadt Gevelsberg)

Lieber Klaus,

liebe Steffi, lieber Alexander,

liebe Familie Grams,

sehr geehrte Freundinnen, Freunde und Wegbegleiter von Helga Grams,

 

mit tiefer Traurigkeit und großer emotionaler Ergriffenheit nehmen wir heute Abschied von einem großartigen und liebenswerten Menschen in unserer Stadt. Heute heißt es wirklich und ganz konkret Abschied nehmen von Helga Grams.

 

Obgleich die Zeit der Vorbereitung auf diesen heutigen Tag, auf diesen Moment, in dem wir uns jetzt befinden, unendlich lang war, annehmen und begreifen wollen wir es alle kaum.

Und vor allem einwilligen wollen wir in Helgas Schicksal nicht, weil wir es, und das darf man auch hier in der Kirche unter den Augen ihres Schöpfers sagen, als ungerecht, als unfair empfinden, dass ausgerechnet Helga den Weg einer so frühen, schweren Krankheit in ihrem Leben gehen musste,

der sie viel zu früh aus unserer Mitte weggenommen hat.

 

Sie, die doch immer stark war,

sie, die sich anderen mit allem, was sie an Talenten hatte, regelrecht austeilte,

sie, die etwas aufgebaut hatte für unsere Stadt und die gesamte Region,

das dem Sterben und dem Trauern und dem Leid etwas Unzerstörbares entgegen gesetzt hatte.

Dass ausgerechnet sie sich vor unserer aller Augen selbst auf einen solchen Weg begeben musste, das belastet uns stark und beschwert die Gefühle aller Menschen, die sie kannten und schätzten.

 

Wer Helga Grams noch etwas besser kannte – und das sind dank ihres Engagements viele unter uns – der weiß, dass auch Helga dieser Gedanke in den Zeiten der Krankheit stark belastete, zumindest habe ich es so in einem Gespräch erfahren, das ich mit ihr zuletzt noch führen durfte.

Offen hat sie mir erzählt, dass sie gerade im Anfang der Krankheit oft gedacht habe, dass kann und wird „Der da oben“ jetzt doch wohl nicht mit mir machen, „Der braucht mich doch noch“.

 

Ein Gedanke, der mich noch lange nach diesem tiefgehenden Gespräch mit ihr gefangen gehalten hat und der, so glaube ich, viele tausend Menschen gefangen hält, die Helga gekannt, geschätzt und geliebt haben.

 

Gefangenheit und Beklommenheit in dem Gedanken einer schicksalhaften Ungerechtigkeit, das ist heute im Moment der Trauer noch ein verständliches und zulässiges Gefühl.

 

Die Antwort auf den rechten Umgang mit Helgas großartigem Lebenswerk ist es aber wohl kaum und deshalb müssen wir schon bald das Gefühl der Gefangenheit durchbrechen, wenn wir uns Helga, ihr liebevolles Wesen und ihr Lebenswerk in unserer Mitte erhalten wollen.

 

Vielleicht kommt es doch nicht von ungefähr, dass Helga Grams sich mit vielen Mitstreitern ausgerechnet für die Emmaus-Geschichte als moralischem Fundament ihrer Arbeit entschieden hatte. Auch dort haben Menschen in tiefster Trauer und Verzweiflung um einen verlorenen Menschen genau diesen Menschen wiedergefunden, ihn noch eine Weile wirklich mitten unter sich haben dürfen, um dann zu erkennen, dass man nicht unendlich festhalten darf, weil es die Hoffnung auf ein Wiedersehen gibt und es sich lohnt, Tag für Tag im Geiste dieser Hoffnung zu arbeiten.

 

Für mich bedeutet dies nichts anderes, als dass Helga Grams mit ihrem großartigen Lebenswerk, zugleich aber auch ganz persönlich mitten unter uns ist. Und auch Ihr, liebe Familie Grams, habt das ja ganz bewusst in der Traueranzeige ausgedrückt, in dem Ihr geschrieben habt, wir feiern mit Helga heute diese Heilige Messe.

 

Mir hat dieser Gedanke an ein „Mittenunterunssein“ von Helga in den letzten Tagen die Freiheit gegeben, mich von der gedanklichen Gefangenheit in traurig empfundener Ungerechtigkeit zu lösen und die Trauer gedanklich neu auszurichten.

 

Ab jetzt muss uns die Trauer ein Auftrag sein, uns in unserem täglichen Handeln wieder neu auf das auszurichten, was Helga in unserer Stadt für den südlichen Ennepe-Ruhr-Kreis und die Region aufgebaut hat:

 

Wer hätte es in den 1990er Jahren für möglich gehalten, dass aus der zarten Pflanze des kleinen ambulanten Hospizvereins schließlich ein fester Baum würde, ein ambulantes Zentrum, das den Menschen eine feste Anlaufstelle, Hilfe und vielleicht auch Zuflucht ist, wenn die Dinge um einen herum ins Wanken geraten.

Erinnern wir uns deshalb doch heute an die wunderbaren Momente und Schritte, die wir in diese Richtung gemeinsam mit Helga Grams gehen durften:

 

Die Zusammenkunft im Rathaus, bei der es vor wenigen Jahren hieß, „wir brauchen ein Grundstück“, steht mir heute noch so vor Augen, als sei es gestern gewesen.

 

Das Richtfest und die Einweihung des ambulanten Zentrums waren weitere Schritte, die gleichzeitig so viel Symbolkraft in sich trugen, dass man spürte, hier ist aus einer Bewegung wirklich etwas Nachhaltiges, Verlässliches für die Menschen geworden, das auch der Wucht von Tod und Trauer Stand hält.

 

Und neben allem Baulichen, neben den „Steinen“, war es ja dann vor allem auch die Atmosphäre, die Behaglichkeit, die kaum ein Mensch mehr in ein Haus zu tragen mochte, als die Urheberin des Ganzen, Helga Grams selbst.

Die Farben des Hauses, die Kunst an den Wänden, aber auch die Art des Umgangs und des Miteinanders, all das sind Dinge, die uns von und mit Helga heute in unserer Stadt bleiben und die uns unglaublich dankbar machen müssen.

 

Dankbar sein und aus der Gemeinschaft mit Helga Grams weiter machen und zusammenhalten, das ist die Botschaft, die sie uns heute allen mit auf den Weg gibt. Über Konfessionsgrenzen hinweg, unbedingt ökumenisch, aber immer fest auf christlichem Fundament ohne zeitgeistliche Verwaschungen, das ist ihr Auftrag an die Ökumenische Hospizbewegung, ja an alle Christinnen und Christen unserer Stadt.

Und zugleich ist es ihr Vermächtnis an die politische Gemeinde Gevelsberg, die diese Arbeit über alle Parteigrenzen hinweg im Geiste und Gedenken an Helga Grams zu fördern hat.

 

Liebe Familie Grams,

lieber Klaus, liebe Kinder, Schwiegerkinder und Enkel von Helga,

bei aller Beteuerung der großartigen Lebensleistungen und des ideellen Vermächtnisses Eurer lieben Ehefrau, Mutter und Oma, möchten wir heute an Eurer Seite nicht vergessen, welchen Schmerz Euch allein schon der Moment bedeutet, die Ehefrau, Mutter und Oma zu verlieren. Sie hat neben allem Großen, was sie für „Alle“ geleistet hat, zudem noch aus Euch wunderbare Menschen gemacht, die mit beiden Beinen auf dem Boden stehen und eine fest zusammenhaltende Familie bilden. Auch dafür gebührt ihr Dank und Respekt.

 

Ich möchte Euren Schmerz jetzt nicht weiter vertiefen, indem ich zu viele Emotionen auslöse, sondern sage deshalb nur, dass wir uns fest mit Euch allen verbunden fühlen. Besonders Dir, lieber Klaus, möchte ich von Herzen danken für das, was Du – mitunter still im Hintergrund – auch bewirkt hast, um Helga den Rücken frei zu halten. Das ist mehr, als den Meisten vielleicht bewusst ist, aber wir wissen das und dafür sage ich heute auch von Herzen Danke.

 

Und ausdrücklich einbeziehen in meine Anteilnahme möchte ich übrigens auch Sie, lieber Pastor Bauer, der Sie gemeinsam mit Helga die Aufbauarbeit geleistet haben und in Helga Grams eine wunderbare Wegbegleiterin ihrer Arbeit und ihres Lebens hatten, die sich nicht ersetzen lässt.

 

Letztlich haben wir aber alle mit Helga einen Menschen von uns gehen lassen müssen, der kaum zu ersetzen sein wird, ja vielleicht auch gar nicht ersetzt werden soll, weil er einmalig war und die Wege unseres Miteinanders in ihrem Sinne und Geiste nun neu gefunden und beschritten werden müssen.

 

Dir, liebe Helga, sage ich jetzt einen lieben letzten Gruß. Für alles, was Du den Menschen in unserer Stadt und Region Gutes getan hast, sage ich von Herzen D A N K E. Lebe wohl!